Die etwas andere Backtechnik:
Backen mit Dinkel
Verarbeitungsrichtlinien
Bei der Herstellung von
Dinkel-Backwaren ist zu beachten, dass z. B. ein Dinkelvollkornbrot mindestens 90 % Anteile Dinkelvollkornmehle und ein Dinkelmehlbrot mindestens 90 % Dinkelmehl enthalten muss. Die
Verbraucher wünschen aber mehrheitlich 100 % reine Dinkelbackwaren.
Lebensmittelrechtliche
Beurteilung: Das entspelzte Korn ist Vollkorn. Beim entspelzten Korn ist die eigentliche Samenschale eher dünner und zärter als beim Weizen (weniger Aschegehalt). Vollkorngebäcke schmecken
weniger nach Kleie und sind nicht so stumpf wie Weizenvollkornbackwaren. Feingemahlenes Dinkelvollkornmehl ist daher auch eine gute Basis für feine
Vollkornbackwaren.
Teigtemperatur
Mittlere Teigtemperaturen von
24° bis 26° C passen meist recht gut. Bei zu niedrigen Temperaturen findet eine verzögerte Teigentwicklung statt. Bei zu warmen Teigtemperuren werden die Dinkelbackwaren schnell trocken und
altern auch schnell.
Kneten
Die Grundregel lautet immer
„schonend kneten“. In der Praxis hat sich die Quellknetung in den meisten Fällen bewährt, d. h. je nach Teigausbeute werden mindestens 10 Minuten bis zu 20 Minuten im 1. Gang schonend
gemischt und geknetet. Im 2. Gang wird nur noch relativ kurz 1 Minute bis höchstens 3 Minuten geknetet. Die optimale Ausknetung der Teige sollte jeder Teigmacher im Idealfall selbst
herausfinden. Das Knetverhalten von Dinkelteigen kann sich je nach Partie und Nachreifung im Jahresverlauf mehrmals ändern. Eine pauschale Knetvorgabe kann daher nicht gegeben
werden.
Erkennungszeichen für gute
Knetung sind: Teig löst sich vom Kesselrand, er bekommt eine glatte, etwas hellere Oberfläche, er zieht kleinere Blasen. Mit einer Dehnprobe sollte die Kleberausbildung überprüft
werden.
Sollte ein Teig mal überknetet
sein, erkennbar an dem starken Fließverhalten im Kessel und an der stark glänzenden Oberfläche, kann dieser gerettet werden durch langes Lagern an einem kühlen Ort und öfters Aufziehen. Nach
einer gewissen Zeit wird der Teig wieder stabiler und verarbeitungsfähig.
Backmittel
Generell muss darauf geachtet
werden, dass keine weizenhaltigen Produkte im Backmittel enthalten sind (Weizenallergiker). Also, kein Weizenmehl als Füllstoff, kein Weizenmalzmehl und ganz wichtig auch kein Weizengluten!
Geeignete Backmittelzutaten wären Gerstenmalzmehl oder -extrakt, etwas Dextrose, Acerola oder Ascorbin und eventuell gentechnik-freie Enzyme.
Einsatz von Fetten
Eine Zugabe von 1 bis 2 % Fett
macht die Teige wolliger und bringt auch etwas Volumen in die Gebäcke. Zu bevorzugen sind feste, ungehärtete Palmfette.
Versäuerung und Fermentation
Die Qualität von
Dinkelvollkorn- und -mehlbrot, sowie auch -brötchen wird durch den Einsatz von Dinkelsauerteig oder -fermentteig in idealerweise verbessert. Besserer, aromatischer, abgerundeter Geschmack,
bessere Verdaulich- bzw. Bekömmlichkeit, bessere Frischhaltung, natürlicher Schutz gegen Fadenzieher, besseres Volumen, bessere Schnittfähigkeit usw.
Wer nicht zwingend auf 100 %
Dinkelanteil wert legt, kann bis zu 10 % vom Gesamtmehl versäuertes Roggenmehl in Form vom eigenen Betriebssauer verwenden. So bleibt das Brot in der Deklaration immer noch ein Dinkelbrot.
Der Königsweg jedoch ist die Versäuerung oder Fermentierung von Dinkelvollkornmehl und/oder -typenmehl. Die Versäuerungsmenge sollte ca. 10 %, höchstens jedoch 20 % vom Gesamtmehl betragen.
Viele Kunden wünschen sich solche reinen, 100 %igen Dinkelbrote mit natürlicher Versäuerung bzw. Fermentierung. Eine einstufige Versäuerung kombiniert mit 1 % Backhefezusatz beim Teig hat
sich in der Praxis bewährt. Weizenfreie Dinkelstarterkulturen gibt es von verschiedenen Anbietern. Am besten zum Charakter des Dinkels passt eine Dinkelfermentation mit Backferment. Das
Sekowa-Backfermentpulver ist u. a. dafür ein guter Starter. Bei dieser Fermentation werden neben der Aromakomponente vorrangig natürliche Hefe- und Milchsäure gebildet. Je nach Führungsart
kann entweder ganz auf zusätzlich Backhefe verzichtet werden, es kann aber auch eine kombinierte Führung, mit geringer Menge an zugesetzter Backhefe, zum optimalen Backergebnis
führen.
Dinkelvorteig
Dinkelvorteige TA 160 mit 2 % Salz
und bis zu 0,5 % Hefe auf Mehl, über Nacht geführt und gekühlt sind für die Aromaabrundung und Teigstabilisierung gut geeignet. Für die Frischhaltung des Dinkelbrotes leisten sie aber keinen
nennenswerten Beitrag.
Quell- und Brühstück
Je nach gewünschtem Charakter des
herzustellenden Dinkelgebäckes sind bis zu 30 % des gesamten Vollkornmehles oder Schrotes oder Flocken als Brüh- oder Quellstück einzusetzen. Brüh- oder Quellstücke sollten 1:1 Getreide – Wasser
und eventuell 2 % Salz auf Getreideanteil enthalten. Beim Brühen mit ca. 70° C heißem Wasser reichen 2 – 3 Stunden Quellzeit. Das kalte oder mit warmem Wasser (ca. 30° C) angesetzte Quellstück
sollte gut 12 Stunden und mehr ausquellen. Der Zusatz von Salz kann eine Fremdgärung verhindern. Beim Frischhalteeffekt sind Brüh- gegenüber Quellstücken im Vorteil.
Kochstück
Zur Wasseranreicherung des Teiges
im Dinkelvollkorn- und im Mehlbereich ist das Dinkel-kochstück eine gute Möglichkeit. Bis zu ca. 5 % vom Gesamtdinkelmehl werden im Verhältnis 1:4 mit Wasser und 2 % Salz auf Mehlanteil zu einem
Kloßteig gekocht. Das Kochstück kann in der Kühlung für mehrere Tage auf Vorrat gelagert werden. Die Zugabemenge von Dinkelkochstück muss aber genau auf die Dinkelqualität abgestimmt sein. Die
enorme Menge an dem darin gebundenen Wasser muss auch beim Backprozess verkleistert werden können. Oft werden hier Grenzen überschritten, die Krume wird dann zu dicht und zu feucht, die
Schnittfestigkeit leidet und solche feuchten Brote neigen auch schneller zur Schimmelbildung.
Kochdinkel
Für grobkernige Dinkelschrotbrote
mit hoher Saftigkeit können auch ganze Dinkelkörner mit Wasser, im Verhältnis 1:3, mit 2 % Salz auf Kornanteil, gekocht werden. Das Garverfahren ist vergleichbar mit dem
Garen von Reis. Man kann z. B. in einem hitzefesten Gefäß mit Deckel die eingeweichten Dinkelkerne, mit der Restwärme des Backofens garen. Z. B. in abgeschaltetem Ofen ab einer Restwärme ab 180°
C für mehrere Stunden im Ofen belassen. Die ge-kochten, erkalteten Dinkelkörner können bis zu 30 % vom Gesamtschrot oder Vollkornmehlanteil eingesetzt werden. Solche grobkörnigen Dinkelbrote
treffen im Besonderen den norddeutschen Geschmack.
Dinkelsprossen
Einen ähnlichen Effekt erzielt man
auch mit gekeimten, ganzen Dinkelkörnern. Im Handel gibt es solchen gekeimten Dinkel, vakuumverpackt und gekühlt. Das Produkt ist in der Kühlung ca. 3 Wochen haltbar. Durch den vorausgegangenen
Keimvorgang hat sich der Vitamingehalt im Getreide potenziert. Die Körner schmecken angenehm malzig bis nussig und erzielen im Brot auch eine schöne kernige Struktur und bringen jede Menge
zusätzliche Vitamine ins Dinkelbrot. Solche Dinkelsprossenbrote sind beim Verbraucher sehr beliebt. Die vitaminreichen Dinkelsprossen ergänzen und veredeln in idealer Weise das
Dinkelbrot.
Nahrungsfasern als Ballaststoffe und Frischhalter
Wer sich nicht so viel Zeit für
quellen, kochen und brühen nehmen will, kann ähnliche Frischhalteeffekte auch erreichen, durch den Zusatz von Psylliummischungen.
Diese natürlichen
Nahrungsfasern sind ähnlich hochviskos wie Guarkernmehl, sind aber ein Lebensmittel und kein Zusatzstoff und absolut geschmacksneutral.
Ein Zusatz ermöglicht die
variable Einstellung der Teigausbeute von 180 bis 200, je nach Dinkelqualität. Trotz der hohen Wassermenge bleiben die Teige maschinengängig. So hergestellte Dinkelbrote haben eine enorme
Frischhaltung und sind nebenbei noch ballaststoffangereichert. Auch hier ist wieder zu beachten, die richtige Grenze auszuloten. Bitte nur die Menge an Wasser im Teig binden, die auch beim
späteren Backprozess verkleistert werden kann.
Anreichung mit Zucker und Dextrose
Viele Conveniencehersteller haben
in ihren Dinkelbackmischungen größere Mengen an Zucker und Dextrose. Ähnlich wie beim Ketchup will man durch diese süß/sauer Note wohl eine größere Geschmacksakzeptanz, vor allem bei Kindern,
erreichen. Der Umsatzerfolg gibt ihnen teilweise sogar Recht. Zucker ist jedoch ein Säurebildner und zerstört gerade das, was den guten Dinkel ausmacht, seine gute basische Eigenschaft. Die
sprichwörtliche gute Verträglichkeit von Dinkel wird so stark eingeschränkt bzw. konterkariert. Wenn schon etwas Süße im Dinkelbrot, dann bitte eher kleinere Mengen an Honig zusetzen. Er hat
seine natürlichen Enzyme, enthält Inhibine und er hat eine leichte emulgierende Wirkung im Teig. Kleinere Mengen an Rübensirup sind auch zu akzeptieren, ein Teil wird durch die Hefe vergoren.
Aber Zuckermengen jenseits von 5 % bis 7 % sind einem guten Dinkelvollkornbrot nicht würdig.
Salzzugabe
Die oft erhöhten Teigausbeuten bei
Dinkelseelen, Knauzen und genetzten Broten, aber auch die weichen Vollkornteige erfordern eher eine etwas höhere Salzzugabe, sonst entsteht schnell ein etwas zu fader Geschmack. Der
Kochsalzgehalt auf Getreideprodukte liegt eher leicht über 2 % als darunter.
Fazit:
Wie in den Texten voraus
beschrieben, unterscheidet sich Dinkel in vielen Punkten vom Weizen. Ein bis hierher noch nicht genannter Punkt ist, dass Dinkelmehl bei gleicher Teigfestigkeit gegenüber Weizenmehl weniger
Wasser aufnimmt, dies ist u. a. der etwas anderen Zusammensetzung von mehr Gliadin und weniger Glutenin geschuldet. D. h bei vergleichbarer Teigführung wie Weizenteig wird Dinkel immer schneller
zum Trockenbacken neigen. Viele Maßnahmen wurden zuvor beschrieben, wie das zu verhindern ist. Eine einzige Maßnahme wie „nur Vorteig“ oder „nur ein Quellstück“ alleine reichen in der Regel
nicht, dieses Manko auszugleichen. Zur optimalen Qualität führt immer eine Kombination sinnvoller Maßnahmen wie „Dinkelversäuerung mit zugesetztem Quellstück“ oder „Dinkelversäuerung und die
passende Menge eines Kochstückes“. Der Einsatz von Nahrungsfasern erweist sich in der Kombination mit Versäuerung auch als die bessere Variante. Bei Gebäcken wie Seelen, Knauzenwecken oder
genetzten Broten, die schon immer traditionell mit Dinkel hergestellt wurden, erledigt sich das Thema Wasseraufnahme von selbst. Diese Teige werden schon immer extrem weich und sehr lange,
teilweise über Nacht geführt, so dass eher das Gegenteil von Trockenbacken eintritt. Solchen Teigführungen erfordern meist Handarbeit und sind eine Chance für jeden Handwerksbäcker sich von der
Backindustrie und den Discountbäckern abzuheben.
Dinkelbackwaren im Verkauf
Die beste Werbung ist die
Aussage des Bäckers an seine Kunden:
Wir backen reines 100 %iges
Ur-Dinkelbrot aus eigener Herstellung, nach eigenem Rezept. Ansonsten macht gutes Dinkelbrot die Werbung für sich selbst. Gutes, ehrliches Dinkelbrot ist eines der bekömmlichsten und am
besten verträglichsten Brote schlechthin. Der Kunde wird es merken und mögen und wiederkommen.
Dinkelverkaufsschulung
Eine wichtige Sache noch: Die
Schulung der Verkäuferinnen. Nur eine Verkäuferin die in dem Thema Dinkel richtig und gut Auskunft geben kann, wird das Vertrauen der Kunden bekommen und erfolgreich dieses Brot auch verkaufen
können.