Dinkel

Was es über das Urkorn und seine unterschiedliche Backtechnik zu wissen gibt.

1. Dinkel allgemein

Bis vor gut 100 Jahren war der bespelzte Dinkel noch das wichtigste Brotgetreide in Süddeutschland, Schweiz und Österreich.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde er fast vollständig von den modernen Nacktweizensorten verdrängt.


Gründe:


Seine erstaunliche Renaissance erlebte der Dinkel parallel zur Ausbreitung der biologisch bewirtschaften Flächen. Seine Robustheit, Anspruchslosigkeit, Krankheitsresistenz und vor allem sein hohes Stickstoffaneignungsvermögen sorgten dafür, dass vor allem im Ökolandbau und in Trinkwasserschutzgebieten heute wieder vermehrt Dinkel angebaut wird. Unterstützt wird das Ganze durch die ständig steigende Nachfrage der Verbraucher nach gesünderem Getreide mit mehr Bekömmlichkeit.


In 2019 und 2020 lag die Dinkelvermahlung in deutschen Mühlen bei rund 250.000 t. Die Steigerungen werden weitergehen.

Unsere heutige Grundwasserproblematik führt zwangsläufig zu immer strengeren Einschränkungen in der Landwirtschaft. Die Eintragung von synthetischem Stickstoff in die Böden ist vieler Orts schon gesetzlich begrenzt und wird weiter eingeschränkt werden müssen. Die heutigen Eliteweizen benötigen aber eine intensive Stickstoffdüngung, um ihre gute Backfähigkeiten zu generieren. Hier ist der Dinkel im Vorteil. Er bringt auch gute Erträge und Backqualität bei rein organischer Düngung und gedeiht auch auf mageren, steinigen Böden.

Leider wird seit einigen Jahren systematisch Weizen in Dinkel eingekreuzt.


Dinkeltypische Eigenschaften wie Wuchshöhe oder die Zusammensetzung der Korninhaltsstoffe verändern sich immer mehr und nähern sich dem Weizen an, mit all der Problematik, die uns aus den modernen Eliteweizen heute bereits erwachsen sind. Die angestrebten agronomischen Eigenschaften, sowie die Optimierung der Teig- und Backeigenschaften und die höheren Ertragsaussichten bringen die Erhaltung reiner Ur-Dinkel immer mehr in Gefahr.

Als Bäcker sollten wir heute genau hinschauen und uns über die Dinkelsorten, die wir verbacken möchten, im Vorfeld kundig machen.

Im Gegensatz zum Weizen enthalten reine Dinkel keine Omega-Gliadine. Omega-Gliadine sind heute die Labormarker zur Unterscheidung von reinem Dinkel und Weizen-Dinkel. Omega-Gliadine sind darüber hinaus verantwortlich Auslöser für Bäckerasthma zu sein. Sie sind Träger der ATI-Amylase-Trypsin-Inhibitoren, welche u. a. die Verdauungsenzyme hemmen. In reinen Dinkelsorten sind weniger solcher Antinährstoffe enthalten und es macht Sinn darauf zu achten, dass es auch so bleibt.


Aus einer Vergleichsuntersuchung von Dr. Herbert Wieser kann man ganz gut ableiten, was noch echte Dinkelsorten sind. Die wären: Altgold-Rotkorn, Bauländer Spelz, Ebners Rotkorn, Neuegg Weißkorn, Oberkulmer Rotkorn, Ostro, Rechbergs brauner Dinkel, Roter Tiroler, Ruggers Babenhausener, Schlegel Dinkel und Schwabenkorn.


Omega-Gliadine als Marker für Weizeneinkreuzungen werden nachgewiesen in:

Albin, Alkor, Franckenkorn, Hercule, Hubel, Rouquin, Renval, Rechbergs früher Dinkel, roter Schlegel Dinkel, Waggershauser Hohenheimer und Zollern Spelz.


Gerade Franckenkorn ist deutschlandweit eine der häufigsten Dinkelsorten im Anbau und glänzt mit guten Backeigenschaften. Er wird nach wie vor als Dinkel deklariert. Es bleibt nur die Hoffnung, dass bei neuen zukünftigen Sorten Omega-Gliadine abwesend sind. Darauf sollten wir achten.

2. Dinkel und seine Backtechnik

Warum sind viele Dinkelbrote und -brötchen immer so schnell trocken?

Aufgrund anderer Zusammensetzung der Gluteneiweiße, Gliadin, Glutenin und unterschiedlicher Verkleisterungseigenschaften der Dinkelstärke im Vergleich zur Weizenstärke, wirken Dinkelgebäcke, vor allem wenn sie direkt geführt werden, oft tendenziell etwas trocken und die Krume hat strohige Eigenschaften. Unterstützt bzw. verstärkt wird das dadurch, dass die alten Dinkelsorten generell eine schlechtere Wasseraufnahmefähigkeit gegenüber Weizen aufzeigen.

Beispiel: Bei einer TA 156 haben wir im Weizenbrötchenbereich einen stabilen Teig, der zu guten Backergebnissen bei Weizenbrötchen führt. Bei gleicher TA 156 im Dinkelmehlbereich haben wir eher einen fließenden Teig, mit schwacher Stabilität (nachlassende Teige) und daraus resultierend schlechte Backergebnisse.


Erst mit weniger Wasserschüttung und entsprechender Ascorbinbehandlung kommen wir zwar optisch zu ansprechenden Backergebnissen, in den Krumeneigenschaften und geschmacklich sind solche Dinkelbrötchen aber ein Totalausfall. Warum ist das so? Im Backprozess fehlt die Wassermenge für eine optimale Verkleisterung der Stärke. Die Brötchen werden trocken und krümelig.


Fazit: Für schmackhafte und gute Dinkelbackwarenqualitäten braucht es andere Backtechniken! Eine gute Dinkelbacktechnik orientiert sich vorrangig immer an der Frage: „Wie bekommen wir mehr Wasser = mehr Verquellung in die Dinkelteige?“ Solche Techniken werden nachfolgend erläutert.


Milde Quellfermentation

Die wichtigste, natürliche Technologie für Dinkelbackqualität optimal zu unterstützen ist die „milde Quellfermentation“ System Deffland Fermenttechnik.

Diese Technik erlaubt bis zu 45 % fermentiertes, vorgequollenes Dinkelmehl in die Teige einzubringen.


Durchführung: Mittels eines Aktivstarters wird bei 30 °C getreideeigene, wilde Hefe und milde Säure in ca. 6 bis 8 Stunden aktiviert bis längstens pH 5,8, danach wird gegengekühlt. Die bereits vorhandene milde Milchsäure sorgt im Verbund mit der Kühlung für eine extreme Ausquellung der Dextrane im Dinkelmehl. Mehr zu diesem Thema finden Sie in der Fermentfibel von Deffland Fermenttechnik GmbH.


Nicht saure hefegeführte Vorteige

Der „normale“ hefegeführte Vorteig, der im Normalfall mit einer Teigausbeute von 200 bis 210 daherkommt, unterstützt im Dinkelbereich durch eine (größere) Menge an vorverquollenem Mehl und eine Kleberausbildung, die durch die lange Reifezeit entstand. Somit unterstützt er die Teigausbildung und beschleunigt die Teigentwicklung. Je nach Gebäck- bzw. Führungsart können zwischen 10 und 40% des Dinkelmehls über einen Vorteig zugegeben werden. In Fachbüchern sind Verfahren beschrieben mit 0,1 % bis 0,2 % Hefe und Reifezeiten bis zu 24 Stunden bei Raumtemperatur. Davon ist abzusehen. Ein Dinkelvorteig TA 200, 1 % Hefe, sollte mit ca. 40 °C warmen Wasser angerührt werden und geht dann mit ca. 30°C Teigtemperatur direkt in die Kühlung. Ab der 12. bis 24 Stunden in der Kühlung hat er seine beste Backleistung.


Dinkelsauerteig

Ein klassischer durchsäuerter Dinkelsauerteig im Stile eines einstufigen Roggensauerteiges ist für Dinkelbackwaren nicht so gut geeignet. Wenn überhaupt sollte man mit solchen Sauerteigsystemen eher im Dinkelvollkornbereich arbeiten und idealerweise native Dinkelflocken versäuern. Die Anstellgutmenge sollte dabei nicht viel höher als 1 % sein. Die Abstehzeiten bewegen sich bei 16 bis 18 Stunden bei Raumklima von 24 °C bis 25 °C. Das Überwachen des pH-Wertes ist unbedingt erforderlich. Ein pH-Wert von 4,5 sollte nicht deutlich unterschritten werden. Bei tieferen pH-Werten (= mehr Säure) wird die eh schon empfindliche Eiweißstruktur im Dinkelmehl beeinträchtigt.

Die Dinkel-Sauerteige verflüssigen sich, die Backleistung ist geschwächt, es können nur geringe Mengen dem Teig zugesetzt werden, sonst werden die Brote zu sauer. Dies bedingt wiederum zu wenig vorverquollenes Mehl im Teig mit all seinen Nachteilen. Man ist in einem Sauerteigsystem gefangen, das so heute für Dinkel nicht mehr funktioniert.


Brühstücke und Kochstücke

Durch Überbrühen oder Aufkochen von Getreide verkleistert die Stärke und bindet dabei ein Mehrfaches des Eigengewichts an Wasser. Solche Brüh- und Kochstücke stellt man im Normalfall selbst her, allerdings werden diese auch als Convenience-Produkt angeboten. Bitte beachten Sie jedoch unbedingt, dass beim Kochen auch die Eiweißstruktur des Getreides zerstört wird und dieses geronnene Eiweiß dann im Teiggerüst fehlt. Ist dann die Enzymatik im Dinkelmehl auch noch etwas hoch, kann es schon bei relativ geringen Kochstückmengen zu Volumenproblemen beim Gebäck kommen. Bei höheren Kochstückmengen besteht dann auch die zusätzliche Gefahr eines Klitschstreifens in der Krume.

Kochstückzugabe kann man also nie pauschal als eine Menge X einsetzen, sondern sie muss dringend immer der Qualität des zu verarbeitenden Dinkels angepasst werden. Welche Menge an Wasser darf man einem Teig nun in dieser gebundenen Form zugeben? Die Antwort ist ziemlich simpel. Genau so viel, wie die Krume im fertig gebackenen Produkt auch stabil binden kann. Gerade wenn man als Bäcker beginnt mit gebundenem Wasser in Teigen zu arbeiten, besteht die Gefahr, dass man sich denkt „dieser Teig verträgt noch einen Schluck Wasser“.

Fakt ist jedoch, dass gerade Dinkelteige mit viel gebundenem Wasser eher festgehalten werden, damit diese, sofern es freigeschobene Backwaren ergibt, auf Gare und im Ofen auch stabil bleiben und ein ansprechendes Volumen erzielt wird.

Auch die Knetung muss bei hohen Kochstückzugaben angepasst werden. Bedenken Sie, dass bei zu intensiver Knetung auch wieder gebundenes Wasser ausgeknetet wird, was zu Teigerweichungen führt.


Kartoffelmehl bzw. -flocken

Im Grunde ebenfalls eine Zutat mit einem großen Anteil kaltquellender Stärke. Seit Jahren im Markt bekannt sind die verschiedensten Kartoffelprodukte. Der Vorteil ist, dass diese Zutat eine große Menge an Wasser binden kann. Ein Nachteil liegt daran, dass das Wasser auch schnell wieder abgegeben wird, was zu weichen Gebäckkrusten führt.


Thermisch aufgeschlossenes Getreide

Aufgepoppte Körner, mikronisierte Körner oder gedämpfte Körner, bei denen die enthaltene Stärke durch die Behandlung im kalten Zustand Wasser aufnimmt. Diese bringen neben dem Wasser auch optische Akzente in die Krume. Das gedämpfte bzw. das nicht zu stark aufgepoppte Getreide ist hier zu bevorzugen, da es optisch in der Krume erhalten bleibt, vorausgesetzt die gepoppten Körner werden kurz mit Wasser angemischt und erst am Ende der Knetzeit zugegeben.


Diverse Pflanzenfasern

Pflanzenfasern oder Verdickungsmittel, als weiterer essentieller Baustein, sorgen bei Dinkelteigen in erster Linie für die Stabilisierung des Teiges. Selbstverständlich binden Sie auch eine nicht unbedeutende Menge an Flüssigkeit, und das sogar nachhaltig. Was die Wasserbindefähigkeit angeht, gilt es aber zu unterscheiden, ob Wasser nur angelagert oder eben auch gel-artig eingebunden wird. Apfel-, Rüben-, Kartoffel-, Weizen-, Haferfaser etc. sind zwar allesamt gute Ballaststoffe, nehmen als Nebeneffekt auch zwischen dem 4- bis 6fachen des Eigengewichts an Wasser auf. Das Problem jedoch, beim Kneten wird dieses Wasser zum größten Teil aus den Fasern wieder herausgeknetet, die Teige werden zu weich, der eigentliche Sinn vermehrter Wasserbindung wird verfehlt.

Psyllium z. B. oder auch der Zusatzstoff Guarkernmehl binden Wasser gelförmig. Die Quellstruktur bleibt beim Kneten erhalten und das ist der wichtige Unterschied. Auch deswegen können diese Mittel idealerweise die Feuchtigkeitsstruktur bei Langzeitteiglingen in optimaler Weise regeln. Die meisten Pflanzenfasern sind in der Regel immer auch teilweise bis zu 99 % reine lösliche und unlösliche Ballaststoffe. Grundsätzlich ist das aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr positiv, da dieser positive Nebeneffekt vielen Kunden bei der Verdauung spürbar hilft.


Flohsamenschalen (Psyllium): Durch die Fähigkeit ein Gel auszubilden (ähnlich wie man das von Pudding kennt) kompensiert dieser Rohstoff den im Dinkel fehlenden Weizenkleber, der für Volumen und Sicherheit sorgen würde. Backwaren, die mit diesen Pflanzenfasern hergestellt werden, zeigen sowohl den benötigten Stand auf Gare als auch im gebackenen Produkt eine sehr gute Krumenstabilität und garantieren eine langanhaltende Krumenfeuchte.


Chia-Samen: In gemahlener Form haben auch diese Ölsamen die Fähigkeit ein Gel auszubilden, welches die Krume stabilisiert. Dazu schlämmt man sie vorher mit der 5 - 10fachen Wassermenge auf und gibt sie dann den Teigen zu.


Guarkern- und Johannisbrotkernmehl: Diese Zutaten haben eine ähnliche Wirkung wie die beiden davor aufgeführten. Nachteile wären eine Kennzeichnung als Zusatzstoff der Klasse „Verdickungsmittel“, sowie beim Guarkernmehl, ab einer bestimmten Zugabemenge, eine negative geschmackliche Beeinflussung der Backwaren. Unabhängig von der Qualität der Dinkelmahlerzeugnisse ist diese zusätzliche Unterstützung durch Fasern sehr zu empfehlen. Die Zugabemenge muss individuell festgelegt werden und orientiert sich an der Konsistenz der Krume im Endprodukt.


Beim Rohstoff Ur-Dinkel S5, dem Favorit bei Backwaren aus Dinkel, kann man für Brötchen so zwischen 1 % und 3 %, bei Broten aus der Urgetreide-Art bis zu 5 % einplanen. Die Schüttwassermenge erhöht sich somit um das 3- bis 5-fache der Menge dieser Zutat (200 g Zugabe erfordert ca. 800 ml mehr Wasser im Teig). Vorsicht geboten ist bei Gebäcken mit gewünschter langanhaltender Rösche: Ein Zuviel an Pflanzenfasern und die dadurch bedingt höhere eingebundene Wassermenge in der Krume führen zu einer zu einer schnelleren Feuchtigkeitsabgabe vom Gebäckinneren Richtung Kruste. Die Gebäcke können schneller etwas zäh und ledrig werden.

Ein Dinkelgebäck mit stabilem Teig (Brötchen, Brote, etc.) sollte bei Brötchen bis zu 20 TA-Punkte gebundenes Wasser haben, bei Broten kann das durchaus auf 30 bis 40 TA-Punkten hoch gehen.


Backmittel

Ein Backmittel für die direktgeführten Dinkelteige im Brotbereich braucht es nicht. Bei Langzeitführungen über Kälte, vor allem im Brötchen-, Baguette- und mediterranem Bereich macht es Sinn ein minimalistisches Clean-Label-Backmittel ohne Weizenanteile zu verwenden. Das Deffland Backmittel Minimo 0,5 % Dosierung deckt den kompletten Körnerbrötchenbereich ab. Die Deklaration im fertigen Gebäck ist Dinkelmehl. Minimo enthält nur biozugelassene Enzyme und Ascorbinsäure, die auf Dinkelmehl aufgemischt sind. Wenn Sie ganz auf Enzyme und Ascorbinsäure verzichten möchten, können Sie die Backleistung über entsprechende Monokomponenten, wie Acerolapulver, Dinkelgluten und Malzmehlen sicherstellen.


Vitamin C

Bedingt durch den eher schwachen Kleber des Dinkels kann Vitamin C eine sehr wichtige Komponente im Teig sein. Es stabilisiert die Kleberstränge und bildet somit die Basis der Gashaltefähigkeit. Meistens wird Vitamin C in Form von Ascorbinsäure zugesetzt, es funktioniert jedoch auch ein Konzentrat oder Pulver aus Acerolasaft. Am sichersten erfolgt die Zugabe über das Backmittel, da hier die benötigte Menge passend enthalten ist. Ascorbinsäure wird mit 1 g bis 3 g pro 10 kg Mehl dosiert. Acerolafruchtpulver muss je nach Vitamin C-Gehalt mit ca. 4facher Menge gegenüber der synthetischen Ascorbinsäure zugesetzt werden. Eine betriebseigene, minimalistische Vitamin-C-Mischung kann wie folgt aussehen. Dosierung 1 % bis 1 ½ %


Beispiel:

Betriebsbackmittel Ascorbinsäure/Malz

Dinkel- oder helles Gestenmalzmehl 98,5 %

Ascorbinsäure 1,5 %

Betriebsbackmittel Acerola/Malz

Dinkel- oder helles Gestenmalzmehl 92,5 %

Acerolafruchtpulver 7,5 %


Getrocknete Dinkelsauerteige

Sie sind teuer und bringen Null Vorteile bei der Bekömmlichkeit. Die teilweise 150er Säuregrade sind mit keiner Logik erklärbar, wie sie bei einem „nur getrockneten, natürlichen Sauerteig“ zustande gekommen sein sollen. Ein normaler Dinkelsauerteig erreicht ca. 20 Säuregrade. Wird ihm das Wasser entzogen, kann das gegen 30 gehen, aber nicht auf 150.

Einen getrockneten Sauerteig verwendet man also nur wegen der darin enthaltenen konzentrierten Säuren für die Stabilität der Krume und etwas mehr Sicherheit gegen Brotkrankheiten. Das geht viel günstiger und genauso gut mit Tafelessig.


Tafelessig

Tafel- oder Obstessig hat standardisiert 5 % Säure. Er kann in die Dinkelteige mit 2 % bis 5 % eingebracht werden und erfüllt genau das, was ein getrockneter Sauerteig auch kann. Auch geschmacklich steht er einem getrockneten Sauerteig in keiner Weise nach. Er kann diesen also im Verhältnis 1:1 ersetzen.


Extrudate

Gerade im Dinkelbereich sind sie sehr hilfreich. Beim Extrudieren wird durch Kompression, z. B. ein Getreidewassergemisch über verengende Schneckengänge mit hohem Druck durch Matrizen gedrückt. Das sich dabei explosionsartig ausdehnende Produkt kommt ähnlich Erdnussflips aus der Maschine, wird dann noch nachgetrocknet und gemahlen. Die Wirkung ist vergleichsweise wie Quellmehl. Nur kann Extrudat noch viel mehr, wie z. B.: Kaltwasserbindung im Teig durch vorverkleisterte Stärke, Stabilisierung der Teige, bessere Stelligkeit und Plastizität, wollige Teige, gute Maschinengängigkeit, Erhöhung der Ausbundsicherheit, mehr Rösche der Gebäcke bei Verwendung als Dekor, Erhöhung der Tragfähigkeit in Rührmassen, Verbesserung der Textur in Quarkbällchen, Füllungen und Sandmassen. Die Dosierung je nach gewünschten Gebäckeigenschaften beträgt 1 % bis 10 %. Die Deklaration im gebackenen Gebäck ist immer der Ursprungsrohstoff aus dem das Extrudat hergestellt wurde, z. B. Dinkel- oder Weizenmehl usw.


Dinkelgluten

Vor 5 Jahren noch unbezahlbar orientiert sich der Preis in letzter Zeit etwas nach unten und sprengt jetzt nicht mehr jede Kalkulation. Gerade wegen der Problematik Weizenprotein gehört in ein Dinkelgebäck KEIN Weizengluten! Dinkelgluten ist jetzt verfügbar. Er fördert die Wasseraufnahme, ist viskoelastisch und kann gerade bei Dinkelgebäcken wie Brötchen, Croissants, Vollkornbrötchen und fluffigen Mehlbroten enorme Qualitätsverbesserungen generieren. Mehr Volumen, höhere Gärtoleranz und besserer Ofentrieb und mehr Stabilität bei Langzeitführungen sind u. a. die wichtigsten Vorteile. Die Dosierung ist bei 1 % bis 3 %.


Malzmehle und Malzextrakte

Zuckerstoffe für die Hefenahrung sowie für Geschmack werden durch die Zugabe von (inaktiven) Malzen erreicht. Nicht umsonst sind Produkte aus dem gemälzten Getreide in vielen Arten von Backmitteln und -mischungen enthalten. Malzextrakte sollten, wenn auch nicht so leicht zu dosieren, bevorzugt werden. Alternativ gibt es von Deffland Backtechnik GmbH ein getrocknetes Malzextraktmehl, welches auch bei sommerlichen Temperaturen im Lager nicht zu Verklumpungen neigt.


Bohnenmehl

Um die Stabilität und das Gebäckvolumen von Teigen aus Dinkelmehl positiv zu unterstützen eignet sich ein seit Jahren bekannter, jedoch etwas in der Versenkung verschwundener Rohstoff. Das Mehl aus der (weißen) Ackerbohne. Durch seine sehr starke Enzymaktivität (Lipoxigenase) erzielt man u. a. eine Aufhellung der Krume.

Das außerdem enthaltene Lecithin sorgt für eine bessere Teigstruktur, optimiert das Gashaltevermögen und sorgt somit für ein besseres Volumen. Als wichtigen Punkt sollte man auch sehr wollige und somit leicht zu verarbeitende Teige nennen.


Stabilität von Dinkelteigen

Wie bekommt man nun aber einen stabilen Teig aus reinem Dinkel hin?

Neben den bereits erwähnten Rohstoffqualitäten, Monokomponenten und Vorteigen ist hier auch die Knetung und Teigtemperatur sehr wichtig. Die üblichen Teigtemperaturen bei Dinkelteigen liegen bei +/-24 ° C und daran anschließend das öftere Aufziehen der Teige. Arbeitet man ohne stabilisierende Zutaten wie Extrudate oder Pflanzenfasern sollte man beim Kneten nicht zwingend in den schnellen Gang schalten. Denn das mag der Dinkel gar nicht. Durch die Verwendung von Extrudaten und/oder Kochstücken verändern sich die Eiweißketten zu einer längeren Struktur. Dadurch werden bei heutigen Dinkelqualitäten in Verbindung mit Extrudaten durchaus Knetzeiten realisiert, die ähnlich wie bei Weizen liegen. Dinkelbrötchenteige werden dann auch mal 3 bis 4 Minuten im Schnellgang geknetet, ohne dass die Teige glänzend bzw. nachlassend werden. Bei vollkornhaltigen Teigen ist aber nach wie vor eine lange, langsame Knetzeit (ca. 9 Minuten im ersten und ca. 2 Minuten im zweiten Gang) empfehlenswert. Einer der essentiellsten Faktoren für stabile Teige ist das Aufziehen, bei dem man gar nicht in Worte fassen kann, wie wichtig es ist. Bitte probieren Sie es einfach mal selbst aus: Falten Sie einen Dinkelteig (wenn es nicht gerade ein Schrotbrot ist) nach 30 Minuten Teigruhe zusammen oder lassen Sie ihn im Kneter eine (!) Runde laufen.

Und wer Zeit hat, das 30 Minuten später nochmal zu machen, erzielt damit nochmal einiges mehr an Sicherheit und Stabilität. Gerade bei freigeschobenen Gebäcken bringt dies eine enorme Qualitätsverbesserung.

Selbst alte Sorten wie der Oberkulmer Rotkorn, ohne Vitamin C-Behandlung bringen noch erstaunliche Ergebnisse nach mehrmaligem Aufziehen und einer Teigführung in der Kühlung über Nacht.



Die letzte, aber wichtigste Zutat für hochwertige Dinkelbackwaren, ist:

Die Zeit

Erst die Zeit bringt die sprichwörtliche Bekömmlichkeit in unsere Dinkelbrote.

Aber auch Teigstabilität, Aufbau, Verquellung, Gashaltevermögen, Ofentrieb, Krusteneigenschaften, Frischhaltung, Aroma und Geschmack alles hängt mit dem Faktor Zeit zusammen.

Durch die mildfermentierten Vorteige haben wir schon einen großen Teil der Zeit vorab in die Teige eingebaut. Fodmaps, ATI und Phytin sind so schon zum großen Teil abgebaut. Den Rest erledigt dann noch die übliche ein- bis zweistündige Teigruhe der Dinkelteige.


Zeit ist eigentlich eine Zutat, die nichts kostet, denn sie ist vorausschauend planbar.

Aber ohne Zeit sind alle Dinkelbackwaren nichts!


Die komplexe Dinkelbacktechnik und das spezielle hierauf ausgerichtete Fachwissen teilen und vertiefen wir demnächst gerne mit interessierten Kollegen in unserem neuen Backtechnikum in Hadamar-Oberweyer.


Autor:

Horst Deffland

Lebensmitteltechnologe / Produktentwicklung